Im weiten Rund der HUK-COBURG arena stehen vier Bänke im Karree, besetzt von knapp 40 Jugendlichen. An diesem Nachmittag Anfang November werden keine platzierten Würfe auf die Handballtore abgegeben, gibt es keine Tempogegenstöße, keine jubelnden oder frustrierten Fans auf den Tribünen. Trotzdem beobachten HSC-Geschäftsführer Steffen Ramer und Cheftrainer Jan Gorr, was Martin Röhrig mit den jungen Leuten „auf der Platte“ macht.
Es ist die Auftaktveranstaltung von „Doppelpass“. Mittlerweile stehen die Jugendlichen auf den Bänken und sortieren sich nach dem Alter. „Die Ältesten bitte links, die Jüngsten rechts“, fordert HSC-Jugendkoordinator Röhrig. Der Haken an der Sache: Der Hallenboden darf nicht berührt werden. So heißt es zunächst, das Alter auf den Tag genau festzustellen und sich anschließend auf der schmalen Bank aneinander vorbeizuschieben, sich gegenseitig Halt zu geben beim Wechseln der Plätze, bis die Aufgabe gelöst ist.
Auch die MGO ist mit im Boot
Mit dem Projekt „Doppelpass“ möchte eine Kooperation aus Sport, Medien, Arbeitsagentur und Jobcenter die Zahl der Jugendlichen ohne Berufsabschluss verringern. Der HSC Coburg, die Mediengruppe Oberfranken, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Jobcenter von Stadt und Landkreis Coburg haben im Oktober vor zwei Jahren den „Doppelpass“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, dass kein Jugendlicher der Region verloren gehen darf, dass junge Leute ohne Ausbildungsplatz eine Perspektive erhalten und ihnen zu einem Praktikumsplatz und im Idealfall zu einer anschließenden Berufsausbildung verholfen werden kann. Gestartet ist jetzt die dritte Runde.
Die Anforderungen und Verhaltensweisen des Leistungssports lassen sich in vielen Aspekten auf das Leben allgemein und besonders die Arbeitswelt übertragen, ist sich Thomas Friedrich vom Jobcenter Coburg-Land sicher. „Nimm den Ball für Deine Zukunft in die Hand“ heißt daher auch die Forderung des Projekts, an dem mittlerweile rund 100 Jugendliche teilgenommen haben.
„Wir wollen euch helfen, in den nächsten Wochen bis zum Abschluss im Februar eure Talente zu entdecken“, erklärt HSC-Geschäftsführer Steffen Ramer, der den jungen Leuten auch gleich das Du anbietet. Im Sport brauche es für Erfolge Motivation, Fleiß, Einsatzbereitschaft und ein gehöriges Stück Disziplin, stellt Ramer fest. „Am Ende steht hoffentlich ein erfolgreicher Torwurf, soll heißen, ein Ausbildungsplatz“, wünscht er.
Zweitägiger Workshop
Dazu folgen nach der Auftaktveranstaltung der Besuch des Heimspiels am 9. Dezember gegen Nordhorn-Lingen, im Januar ein zweitägiger Workshop zum Thema Körpersprache, Gestik und Mimik bei Bewerbungsgesprächen, im kommenden Februar Maßnahmen zum Teambuilding und als Abschluss in der HUK-Arena ein Speed-Dating mit Personal- und Ausbildungsleitern verschiedener Firmen.
Die jungen Frauen und Männer erhalten ein Teilnehmer-Zertifikat, „dass bei den Personalverantwortlichen erfahrungsgemäß gut ankommt“, weiß der HSC-Geschäftsführer.
Als Motivator präsentiert sich Cheftrainer Jan Gorr den Jugendlichen. Erfolg beflügelt, macht Spaß und spornt zu weiteren Leistungen an, so auch die Botschaft eines Videos der ersten Mannschaft des Coburger Handball-Bundesligisten.
„Aber auch nach negativen Erlebnissen, etwa eines verlorenen Spiels, muss sich das ganze Team wieder neu motivieren, muss wieder aufstehen und für den Erfolg kämpfen.“ Kritik nach der letzten Niederlage in der eigenen Halle gegen die Mannschaft aus Hamm hat es gegeben. Pfiffe und Buh-Rufe von den Fans schallten den Handballern entgegen. Jetzt heiße es, wieder nach vorne zu blicken. „Für den Erfolg muss man sich anstrengen, dafür muss man sich Ziele setzen“, so Jan Gorr.
Die gleiche Botschaft vermittelt HSC-Spieler Felix Sproß. Seit dem Sommer spielt der 20-Jährige für den Coburger Handballverein. Neben dem intensiven Training, mitunter zweimal am Tag, studiert Felix Sproß.
Im Team geht’s leichter
Angesicht des engen Zeitplans habe er sich selbstverständlich schon die Frage nach dem Sinn gestellt. „Aber mein Ziel war es schon in früher Kindheit, Profisportler zu werden. Und es gab schon viele Momente, für die sich der große Einsatz gelohnt hat, für die es richtig war, den inneren Schweinehund zu überwinden.“ Mit einem guten Team lassen sich nach den Worten des Handballers Erfolge leichter erreichen.
Nach dem theoretischen Teil im VIP-Raum der HUK-Arena fordert Martin Röhrig dann Einsatz in der Sporthalle. Nach dem ersten Teambuilding und dem Sortieren nach dem Alter steigen nun die Anforderungen. Jetzt sind die Jugendlichen angehalten, wieder auf den Bänken stehend, sich nach der Größe zu sortieren. Wieder darf der Hallenboden dabei nicht berührt werden, „aber nun bleibt auch das Reden außen vor“.
„Ihr könnt deuten und gestikulieren, aber nicht sprechen,“ bestimmt der Jugendkoordinator die Regeln. Mitunter funktioniert der Ablauf, manchmal aber auch nur sehr zäh. „Wichtig war, auch ohne Worte miteinander zu kommunizieren, sich aufeinander verlassen zu können“, erläutert Röhrig den Sinn.
Abschließend treten die vier Gruppen in einer Staffel gegeneinander an: Bunte Leibchen müssen in Reifen platziert werden. Jedes Teammitglied muss sprinten, muss ganz bei der Sache sein, um zu gewinnen. „Erfolg ist ohne Regeln nicht möglich“, sagt Martin Röhrig.
Speed-Dating im März
Die vier Gruppen geben sich selbst Noten, schätzen ihre Leistung ein. Der HSC-Funktionär gibt aus der Sicht des Außenstehenden seine Wertung ab, weist auf Schwächen und Fehler hin.
Das Speed-Dating der knapp 40 Jugendlichen mit möglichen künftigen Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern als Abschluss findet am 14. März 2018 statt.
Bericht von infranken.de
Bilder von Annika Brüning-Wolter