Der HSC macht gegen Dessau-Roßlau viele Fehler und agiert lange unkonzentriert. Nach zwei Siebenmeterparaden von Konstantin Poltrum zünden sie den Turbo. Trotz Nichtaufstieg beste Saison in der zweiten Liga.
Der HSC 2000 Coburg hat für seinen letzten Heimspiel-Patzer gegen Hamm nun gegen den Dessau-Roßlauer HV Wiedergutmachung betrieben. Allerdings benötigte er dafür eine 43-minütige Anlaufzeit, lief immer wieder einem Rückstand hinterher. „Das war das Rückrundengesicht“, zog HSC-Vorstandsprecher Stefan Apfel nach der Partie Bilanz. Doch als Konstantin Poltrum in die Partie kam, kippte die und der HSC kam doch noch zu einem lockeren 25:18-Erfolg.
Platz drei wäre selbst im Falle einer Niederlage erhalten geblieben, da der ASV Hamm-Westfalen beim VfL Lübeck-Schwartau mit 35:37 unterlag. Den Titel sicherte sich HBW Balingen-Weilstetten mit einem klaren 31:21-Sieg beim TV Großwallstadt. Auch sie hätten sich eine Niederlage erlauben können, da die HSG Nordhorn-Lingen beim trotzdem abgestiegenen Wilhelmshavener HV mit 30:31 unterlag. Somit fehlten den Coburgern am Ende zum Aufstieg zwei Punkte und ein paar (38) Tore.
Schon vor dem Warmmachen lag eine gehörige Portion Wehmut in der Luft. Das traditionelle Abklatschen davor dauerte länger als gewöhnlich, denn die Umarmungen zwischen den bleibenden und gehenden Spielern nahm deutlich mehr Zeit ein als sonst. Aber der Rest war wie immer – Jan Gorr suchte während des Aufwärmens mit seinen Notizen in der Hand nochmals das Gespräch mit jedem einzelnen Spieler. Aktuell musste er auf Jakob Knauer verzichten, der bei einem VU unter der Woche leichte Blessuren erlitten hatte. Für ihn wurde Girts Lilienfelds reaktiviert, der sich optimal ins Team einfügte und neben Anton Prakapenia zum besten Akteur avancierte.
Wie wichtig der scheidende Weißrusse für den HSC ist/war, zeigte sich gleich in den ersten beiden Spielminuten – hinten blockte er einen Wurf, vorne traf er selbst. Dessau spielte von Beginn an zermürbend lange Angriffe, wenn sich nicht die Option zum Kontern oder die schnelle Mitte ergab. Schon da deutete sich ein zäher Ablauf an. Konter waren auch das Thema beim HSC, allerdings führten die ersten drei nicht zu einem erfolgreichen Abschluss, die nächsten drei Versuche wurden von Dessau abgefangen. Deswegen war die wenig spektakuläre Partie ergebnistechnisch nach der ersten Viertelstunde völlig ausgeglichen. Insgesamt ging bei Coburg vorne zu viel daneben, aber die Abwehr, zum letzten Mal mit dem Innenblock Hagelin/Prakapenia, stand weiter gut.
Trotzdem wurden die Fans ob der vielen Fehler nach 20 Minuten etwas unruhiger. Beim 8:7 funktionierte das Konterspiel dann endlich einmal punktgenau. Danach allerdings nichts mehr, Coburg blieb bis zur Pause ohne weiteren Treffer, ganze neun Minuten und 43 Sekunden über den Seitenwechsel hinweg. Drei Mal in Serie landeten die Bälle nicht beim Mitspieler, sondern beim Gegner oder im Aus. Nach dem ersten Zwei-Tore-Rückstand rief Jan Gorr zur Auszeit, in der sich „Flo“ Billek als Wortführer betätigte. Im folgenden Angriff kam er mit „Schmackes“ von der Außenposition, sein Gegenspieler Pfeiffer zu spät, erwischte ihn im Gesicht und sah dafür die rote Karte. Leider machte Coburg aus dieser Überzahlsituation nichts. Erst erahnte HV-Keeper Ambrosius einen Heber, dann scheiterte das Gorr-Team zwei Mal in Folge vom Kreis. Erneut begleiteten vereinzelte Pfiffe die Mannschaft in die Kabine. Irgendwo verständlich bei nur acht Toren gegen einen Absteiger. Doch deren zeitklauendes Angriffsspiel ließ bei der Coburger Fehlerquote auch nicht mehr zu.
Nach der Pause konnte es im HSC-Angriff also fast nur noch besser werden. Doch der Halbzeitrückstand blieb erst mal bestehen, aus den gleichen Gründen, die auch schon vor der Pause dazu geführt hatten. Nur die Hälfte der HSC-Würfe fand bis dato den Weg ins Tor. Zwar hatten die Gäste keine viel bessere Quote, doch die Coburger die eindeutig besseren Chancen. Immer wieder erarbeiteten sie sich die, ließen aber weiterhin jede zweite liegen. Die Gäste wurden dann sogar richtig frech, probierten es mit einem Kempa, das allerdings erfolglos. Das nutzte der HSC genau 17 Minuten vor dem Abpfiff zur erstmaligen Führung seit dem 8:7.
Die hielt der erstmals eingewechselte Poltrum mit zwei parierten Strafwürfen innerhalb von zwei Minuten fest. Plötzlich lief es und die Gastgeber zogen in kürzester Zeit auf vier Tore davon. Es hätten auch mehr sein können, aber der Lauf wurde einmal mehr von einem vergebenen Konter gestoppt, ein bis dahin bärenstarker HV-TW Ambrosius dann aber von seinen Vorderleuten drastisch im Stich gelassen. Dessau versuchte es danach mit dem siebten Feldspieler, aber sie toppten die Torflaute des HSC von vor der Pause. Sie blieben insgesamt 11 Minuten und 45 Sekunden ohne Treffer, Poltrum hielt seinen Kasten genau elf Minuten lange sauber bis er den ersten Treffer nach seiner Einwechselung kassierte. Beim Stand von 22:16 wollte Billek einen Strafwurf Markus Hagelin überlassen, doch der schüttelte den Kopf. Also vollendende der HSC-Rechtsaußen den 7:0-Lauf zum 23:16 selbst, Neuhold setzte noch einen drauf. Platz Drei war somit endgültig gesichert, Gorr konnte seine Youngster bringen – Max Preller auf Linksaußen, Fabian Apfel ins Tor. Somit kassierte Poltrum in seiner Einsatzzeit nur einen Treffer und die Saison klang mit einem am Ende stehend zufriedenen Publikum locker aus.
Die schwachen ersten 40 Minuten und mehr als ein Dutzend vergebene klare Chancen waren spätestens dann vergessen, als Philipp Barsties, Petr Linhardt, Patrick Weber, Markus Hagelin und Anton Prakapenia verabschiedet wurden. Prakapenia zeigte da nochmals sein Geschick, als er den überreichten Präsentkorb locker und geschickt mit einer Hand ausbalancierte. Sein Ballgefühl wird den Coburgern in der kommenden Spielzeit fehlen. Stefan Apfel: „Anton hat eine sehr gute Saison gespielt und Führungsqualitäten gezeigt. Aber ich tue mich schwer einzelne Spieler herauszuheben, weil das die Leistung der anderen in einer Mannschaftssportart nicht richtig wiederspiegelt. Uns schmerzt dieser Abgang sehr, aber wenn ein Spieler den Wunsch hat in die erste Liga gehen zu wollen und ein Angebot hat, kann man das nicht verwehren.“
Geehrt wurde auch Florian Billek für 1.000 erzielte Treffer im HSC-Trikot. Der jagt jetzt Ronny Göhl, der mit 1.331 Treffern noch mit 323 Torerfolgen vor Billek liegt, der das jedoch im Blick hat: „Man soll sich immer neue Ziele setzen. Aber das Wichtigste ist, dass wir mit der Mannschaft weiterhin Erfolg haben, wir nächstes Jahr wieder angreifen. Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, ist das eine coole Geschichte. Wer weiß was in zwei Jahren ist, ich gebe mir auf jeden Fall Mühe Ronny zu schnappen.“ Billek war zudem vier Mal im Team der Woche der „Handballwoche“.
40.222 Zuschauer kamen in dieser Saison zu den Heimspielen des HSC, pro Spiel demnach 2.117. Das sind pro Spiel 30 weniger als noch in der Spielzeit 2017/2018, aber hinter Hamburg, Nordhorn-Lingen und Balingen-Weilstetten immer noch die viertbeste Zahl der zweiten Liga. Und wäre das Aufstiegsrennen bis zum abschließenden Spieltag offen gewesen, hätte der HSC die Vorjahreszahl wohl zumindest bestätigen können. Im Aufstiegsjahr 2016, als der Tabellendritte noch zum Aufstieg berechtigt war, hatte Coburg mit 58:22 Punkten (bei 21 Teams in der Liga) abgeschlossen, die jetzt erzielten 55:21 Punkte sind somit das beste Abschneiden in Liga Zwei. Spitzenreiter sind die Coburger in Sachen Zeitstrafen und roten Karten – und das im positiven Sinne. Denn mit 206 Strafminuten und zwei Feldverweisen (Prakapenia gegen die Rhein Vikings und Timm bei der HSG Nordhorn-Lingen) sind sie mit Abstand die fairste Mannschaft in der Liga. Zum Vergleich: Der VfL Eintracht Hagen hat 328 Strafminuten und vier Mal „rot“ kassiert, Balingen 322/6. Größter Rotsünder ist der TV Emsdetten mit einem Dutzend Disqualifikationen.
Stimmen
HSC-Trainer Jan Gorr: „Dessau hat sich lange sehr hartnäckig präsentiert. Wir haben zudem sehr viele freie liegen gelassen und es uns deswegen auch schwer gemacht. In der zweiten Halbzeit haben wir uns frei geschwommen.“
HSC-Vorstandssprecher Stefan Apfel: „Es ist immer schön mit so einem Endspurt einen Sieg einzufahren. Es tut gut, das hat man auch den Fans angemerkt. Die ersten 40 Minuten haben wir unser Rückrundengesicht gezeigt, die letzte Viertelstunde war dann sehr ordentlich und alles in allem war es ein schöner Abschluss.“
HSC-Rechtsaußen Florian Billek: „Es war wichtig, dass wir den Zuschauern und auch den Jungs die uns verlassen einen würdigen Abschied bereiten. Das gehört dazu, dass wir mit allen Mitteln versuchen, mit allem was wir haben, das letzte Spiel zu gewinnen. Wir haben viele Bälle liegen lassen, dann aber alles rausgehauen.“
HSC-Spielführer Sebastian Weber: „Es war ein typisches letztes Saisonspiel. Es hat lange gedauert, bis sich ein Sieger herauskristallisiert hat. Dessau hat das schon letzte Woche gegen Hüttenberg gut gemacht. Am Ende hatten wir ein paar Körner mehr und haben die ins Spiel geworfen.“
Statistik
HSC 2000 Coburg – Dessau-Roßlauer HV 25:19 (8:10)
HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek (9 Paraden, 16 Gegentore), Konstantin Poltrum (5 Paraden, 1 Gegentor), Fabian Apfel (1 Parade, 2 Gegentore); Max Preller, Markus Hagelin, Maximilian Jaeger, Lukas Wucherpfennig (1), Felix Spross (1), Sebastian Weber (1), Anton Prakapenia (8), Florian Billek (4/3), Marcel Timm,Girts Lilienfelds (6), Tobias Varvne (3), Patrick Weber, Christoph Neuhold (1). Trainer: Jan Gorr.
Dessau-Roßlauer HV: Dominik Plaue, Philip Ambrosius (14 Paraden, 25 Gegentore); Tomas Pavlicek (2), Libor Hanisch (1), Marek Vanco (4), Florian Pfeiffer (1), Johannes Wasielewski (3), Daniel Schmidt, Philip Jungemann (3), Bruno Zimmermann (3), Tom Hanner (1), Justin Lee Milkow (1), Jan Zahradnicek. Trainer: Uwe Jungandreas.
SR: Markus Kauth / Andre Kolb
Spielfilm: 2:2 (3.), 3:3 (7.), 3:4 (9.), 4:5 (11.), 5:5 (13.), 6:6 (16.), 7:7 (20.), 8:7 (22.), 8:9 (25.), 8:10 (27.) – 9:10 (31.), 10:12 (33.), 13:13 (37.), 13:15 (39.), 15:15 (40.), 16:15 (43.), 16:16 (44.), 18:16 (46.), 19:16 (47.), 20:16 (48.), 22:16 (52.), 24:16 (55.), 24:17 (56.), 24:18 (58.), 25:19.
Zuschauer: 1.850
Siebenmeter: 3/3 – 0/2 (Pavlicek und Zahradnicek scheitern an Poltrum)
Strafminuten: 4 (Varvne, Timm) – 2 (Pfeiffer) – rote Karte gegen Pfeiffer (27.15)
Beste Spieler: Prakapenia, Lilienfelds – Vanco, Ambrosius.
Bericht von Ralph Bilek
Bild von Henning Rosenbusch