Fußball meets Handball hieß es im Rahmen der Vorbereitung auf die kommende Saison für die Landesliga-Kicker des 1. FC Lichtenfels, die die frisch gebackenen Erstligaprofis des HSC Coburg zu Gast hatten. Dabei gab es jede Menge Laktat in den Beinen und die Aussicht auf eine Revanche, die als kürzestes Handballspiel aller Zeiten in die Geschichte eingehen könnte…
Schließlich wurden die Handballer des HSC Coburg in der vergangenen, abgebrochenen Saison zum Meister der 2. Liga gekürt und realisierten damit zum zweiten Mal nach 2016 den Aufstieg in die „stärkste Handball-Liga der Welt“. Dass die schwarz-gelben Riesen aus der Vestestadt in der Saisonvorbereitung auf fremdem Terrain Gehversuche unternehmen, hat dabei seit einigen Jahren schon Tradition. „Üblicherweise nutzen wir diese Gelegenheit, um die Einnahmen aus solchen Spielen sozialen Zwecken zu spenden“, verrät Erfolgscoach Jan Gorr, der inzwischen in die Geschäftsführung beim HSC aufgestiegen ist. Erstmalig schlugen die Coburger nun die Brücke in den benachbarten Landkreis und maßen ihre Kräfte, nach Begegnungen mit Niederfüllbach oder Bertelsdorf in den vergangenen Jahren, coronabedingt ohne Zuschauer mit Landesligist FC Lichtenfels.
Handballer mit Vorerfahrung
Dieser zeigte sich bestens gewappnet und organisierte nach dem Aufwärmprogramm durch den Athletiktrainer des Handball-Bundesligisten eine Trainingseinheit mit vorbereitenden Pass- und Schussübungen, die zum gemeinsamen Abschlussspiel im Karl Fleschutz – Stadion hinführten. Gänzlich unbefleckt starteten die Handball-Profis freilich nicht in das ungleiche Duell. „Des Handballers liebstes Aufwärmspiel ist und bleibt der Fußball“, verriet Jan Gorr und auch Oliver Müller, Trainer des Fußball-Landesligisten, erkannte mit geschultem Blick nach wenigen Eindrücken, dass an so manchem Handballer auch ein mehr als passabler Fußballer verloren ging. Einer von diesen ist Andreas Schröder – 1,95m Hüne aus dem Rückraum des HSC – der in früher Jugend selbst das große Leder am Fuß führte, ehe er das kleine in die Hand nahm. „Das war für uns eine richtig coole und willkommene Abwechslung“, konstatierte der 28-Jährige, der sonst extrem sportartspezifisch trainiert, um kleinste Details gezielt zu verfeinern.
Fußballer feiern „Heimsieg“ in ihrer Sportart
Nicht bis in jedes kleinste Detail, aber doch akribisch bereiteten sich die Handballer auf das Aufeinandertreffen mit den Korbstadtkickern vor. „Wir wollten unsere eigenen Stärken, die wir erkannt haben, einbringen und nicht ganz ungeordnet ins Spiel gehen“, betonte Schröder ohne Zweifel die nötige Ernsthaftigkeit, mit der beide Mannschaften in das abschließende Trainingsspiel gegangen sind. Das war entsprechend eng und zwischenzeitlich ging der HSC sogar mit 2:1 in Führung. „Insbesondere das zweite Tor war ein Highlight, weil ein kleiner Anflug von Technik zu erkennen war“, verkündet Andreas Schröder schmunzelnd nicht ohne Stolz und auch FC-Trainer Oliver Müller lobte, dass die Handballer „eigentlich schnell umschalten müssen und kurze Antritte beherrschen, aber für ihre Größe ganz schön schnell unterwegs sind. Da mussten einige unserer Jungs die Beine in die Hand nehmen, um hinterher zu kommen.“ Dass die Fußballer am Ende der 2×25 Minuten doch die Big Points setzten, wie es Jan Gorr betitelte, lag auch an so mancher Todsünde, die Andreas Schröder im Spiel der eigenen Mannschaft ausgemacht hatte. Querpässe vor dem eigenen Tor und Klärungsversuche ins Zentrum führen zwangsläufig zu Großchancen für den Gegner, die der FCL kaltschnäuzig ausnutzte, um mit einem 4:2-Polster in das Rückspiel zu gehen, das voraussichtlich im Januar in der HUK-Arena über die Bühne gehen soll.
Ein Rückspiel, vor dem die Protagonisten augenzwinkernd die Messer wetzen.
Herr Schröder, aufgrund der Auswärtstor-Regel werden Sie das Rückspiel im Handball voraussichtlich mit mindestens drei Toren Differenz gew
innen müssen.
Andreas Schröder: Das werden wir uns auf die Fahnen schreiben. Wir wollen es den Jungs auf jeden Fall so schwer wie möglich machen, über uns drüber zu kommen.
Oliver Müller: Wenn die sich zu sechst an den Kreis stellen, ist jeder wahrscheinlich 2,80m groß. Da könnte maximal unser Pascal Scholz durch deren Beine laufen. Vielleicht sollten sie als Handicap nur mit dem „schwachen“ Arm werfen dürfen – aber wahrscheinlich reicht auch das noch aus. Wir werden uns was einfallen lassen müssen, um überhaupt Land zu sehen.
Andreas Schröder: So ganz unvorbereitet sollten die Fußballer wirklich nicht zu uns kommen. Wir haben uns schließlich auch eine Taktik überlegt. Es empfiehlt sich auf jeden Fall nicht mit Stollen in die Halle kommen, in der im Übrigen auch ganz andere Lichtverhältnisse herrschen als unter freiem Himmel…
Zu hohen Rasen oder böiger Wind taugt in der Tat nicht als „Ausrede“. Vielleicht sollten die Fußballer zu elft antreten…
Oliver Müller: Selbst dann wird es wahrscheinlich schwierig, weil wir uns auf engstem Raum gegenseitig auf den Füßen stehen würden.
Andreas Schröder: Ich glaube auch, dass das Feld dann zu klein wird. Es sei denn, sie versuchen es mit fünf Kreisläufern gleichzeitig…
Oliver Müller: Apropos zu klein. Vielleicht sollten wir den Feldhandball wieder beleben, wie es ihn bis in die 1960er Jahre gegeben hat. Da hätten wir zwar auch keine Chance, aber wir hätten wenigstens Rasen unter den Füßen.
Um etwas Würze in das Spiel zu bringen: Herr Schröder, welche Wette können Sie den Fußballern anbieten…?
Andreas Schröder: Wenn sie es schaffen zweistellig gegen uns zu treffen, dann kriegen sie auf jeden Fall einen Kasten Bier extra.
Das ist doch ein gelungener Ansporn. Wie lange sollte das Spiel denn dauern, damit sie ihren Zwei-Tore-Vorsprung aus dem Hinspiel behaupten können, Herr Müller?
Oliver Müller (überlegt lange): Wenn alle Kniffe, die wir uns überlegen werden, funktionieren und wir ein paarmal unfallfrei hin- und herpassen, dann können wir den Vorsprung vielleicht eineinhalb Minuten halten. Das wäre sensationell.
Dann wird es am Ende nach Hin- und Rückspiel nicht für den Gesamtsieg reichen…
Oliver Müller: Ich habe wenig Hoffnung, dass wir ähnlich gut aussehen wie die Handballer auf dem Fußballfeld. Bundesliga gegen Nicht-Handballer ist dann doch eine andere Welt, obwohl wir manchmal Handball-Kopfball zum Aufwärmen spielen. Ich hoffe, dass es uns gelingt im Rückspiel ein eigenes Tor zu erzielen…
Der gegenseitige Respekt vor den sportlichen Leistungen des jeweils anderen ist zweifellos vorhanden und FCL-Coach Oliver Müller stellt darüber hinaus fest, dass „das alles riesige Geräte sind. Alle 2m groß, aber als Profi sehr bodenständig, sehr geerdet. Die Jungs gehen auch wesentlich fairer miteinander um. Davon können sich Fußballer im Allgemeinen eine Scheibe abschneiden.“ Dass dieses erste Training keine einmalige Angelegenheit bleiben soll, liegt auch HSC Geschäftsführer Jan Gorr schwer am Herzen. „Das Stadion in Lichtenfels bietet einen tollen Rahmen und schreit förmlich nach einer Wiederholung“. Dann hoffentlich mit zahlreichen Zuschauern und einem sozialen Zweck im Hintergrund, für den es sich maßgeblich lohnt, schmerzhaftes Laktat in den Beinen zu spüren oder genau getimt in ein Kopfballduell zu gehen.
Bericht von Bernd Riemke
Quelle https://www.anpfiff.info/sites/cms/artikel.aspx?SK=7&Btr=89362&Rub=186