Die Coburger Handballer kommen gegen Dessau nicht über ein 26:26 hinaus. Die Anhänger sehen viel Kampf und Krampf in der Arena.

Es ist lange her, dass die HSC-Fans nach Spielschluss in so lange Gesichter geblickt haben. Die Ehrenrunde der Coburger Handballer nach dem 26:26 (10:13) gegen den Dessau-Roßlauer HV glich eher einem Trauermarsch. Anschließend verschwanden die Mannen von Jan Gorr in Rekordzeit in den Katakomben der HUK-COBURG arena.

Zu tief saß der Stachel der Enttäuschung nach der denkwürdigen Begegnung der 2. Handball-Bundesliga, die bei den Anhängern neben einem gerüttelt Maß an Ratlosigkeit auch die bittere Erkenntnis hinterließ, dass der HSC 2000 in dieser Verfassung meilenweit von einem Spitzenteam entfernt ist. Nichts wurde es mit dem erhofften Befreiungsschlag nach den beiden mäßigen Spielen gegen Essen und in Dresden. Stattdessen gab es erneut biedere Handball-Hausmannskost. Viel Kampf, wenig Glanz.

Dass die Bewertungen solcher Leistungen durch die Zuschauer auf der einen und die Trainer auf der anderen Seite manchmal sehr unterschiedlich ausfallen können, dafür lieferte das Duell HSC gegen Dessau einen guten Beweis. Während vor allem bei den Coburger Fans über weite Strecken Kopfschütteln angesagt war, hatte Gästetrainer Uwe Jungandreas „ein sehr gutes Spiel mit sehr viel Klasse, Dynamik und Feuer gesehen“, das einen gerechten Ausgang genommen hätte. 

Klar, der Dessauer Coach freute sich über den unverhofften Punktgewinn und sah verständlicherweise keinen Grund, die eigene Mannschaft oder den Gegner schlecht zu reden. Den Gästen aus Sachsen-Anhalt genügten im Prinzip große Einsatzbereitschaft und eine aggressive Gangart, um die offensichtlich deutlich verunsicherten HSC-Spieler aus dem Konzept zu bringen. 

Vor allem in der ersten Hälfte lieferten die Coburger eine ganz schwache Leistung ab. Die Abwehr, wo der grippeerkrankte Philipp Barsties schmerzlich vermisst wurde, offenbarte immer wieder große Lücken, die die flinken Dessauer zu einfachen Toren nutzten. Auch im Angriff lief nur wenig zusammen. Kaum schnelle Spielzüge, keine Anspiele an den Kreis, nur wenig über Außen – stattdessen viele Einzelaktionen, die von der knallhart agierenden Dessauer Defensive mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln meist leicht zu entschärfen waren. Dass bis dahin keine Mannschaft, sondern eine Ansammlung von Solisten auf der Platte stand, spiegelte sich letztlich im Coburger 10:13-Rückstand zur Pause wider. Nur zehn Tore in der ersten Hälfte sind in einem Heimspiel definitiv zu wenig, noch dazu fielen vier davon vom Siebenmeterpunkt aus.

Die beiden Torhüter Oliver Krechel auf HSC-Seite und Philip Ambrosius bei den Gästen zeigten sich mehrfach auf dem Posten. In der Statistik standen am Ende zehn Paraden bei Krechel und 13 bei Ambrosius.

Nach dem Wechsel wurden die nur 1967 Zuschauer in der Arena zumindest ein wenig entschädigt. Die Partie, in der weiterhin mit harten Bandagen gekämpft wurde und in der die beiden Schiedsrichter 16 Siebenmeter pfiffen sowie elf Zeitstrafen aussprachen, entwickelte sich zu einer hochspannenden Angelegenheit. Der erste richtige Jubel brandete in der 44. Minute auf, als Florian Billek nach einem Dessauer Abspielfehler den Konter zum 18:17-Führungstreffer für Coburg abschloss. Doch die Dessauer blieben dran, glichen die Führung der Gastgeber immer wieder aus. 

Die Begegnung stand in der Schlussphase auf Messers Schneide. Als Stefan Lex beim Stand von 24:24 ein unnötiges Stürmerfoul beging, kamen die Gäste im Gegenzug zum 24:25. Lex glich wieder zum 25:25 aus, ehe dem quirligen Vincent Sohmann 48 Sekunden vor der Schlusssirene das 25:26 gelang. Letztlich mussten die Coburger froh sein, dass Kapitän Till Riehn die Nerven behielt. Nach einem Foul an Markus Hagelin gab es Siebenmeter. Riehn verwandelte neun Sekunden vor Ende auch seinen fünften Strafwurf in diesem Spiel zum glücklichen 26:26-Endstand.

„Wir wollten zwei Punkte, nicht einen“, sagte HSC-Coach Jan Gorr nach der Partie. Seine Mannschaft habe dieses Spiel mit großer Intensität geführt. „Es wurde um jeden Zentimeter Boden gefightet gegen eine Dessauer Mannschaft, die mit Aggressivität zugepackt hat. Es war deshalb nicht einfach, diesen Punkt zu erkämpfen.“

Nicht zufrieden war Gorr mit dem Spielerischen. „Was mich ein bisschen stört ist, dass handballerisch einige Dinge von uns nicht so gelöst worden sind, wie wir uns das vorgenommen hatten. Wir haben sehr viele freie Bälle nicht im Tor untergebracht in den Schlüsselsituationen und haben uns das Leben damit schwer gemacht.“

Besonders erschreckend war am Samstagabend die Körpersprache der HSC-Akteure, die nach misslungenen Aktionen augenscheinlich mehr in Selbstzweifel verfielen als sich gegenseitig anzufeuern. Es war klar sichtbar, dass der Wurm drin steckt – und das mittlerweile seit Wochen. Jan Gorr ging dennoch nicht so hart ins Gericht mit seinen Handballern. „Was für mich wichtig ist, dass diese Mannschaft kämpft, dass sie alles von der Emotionalität dafür gibt. Was wir besser machen müssen sind die handballerischen Aspekte. Und das steht in den nächsten Wochen auf dem Programm. Da müssen wir uns den Erfolg wieder erarbeiten.“
Gorr: „Kein Selbstläufer“

Zu den möglichen Gründen für die fehlende Konstanz meinte er: „Für uns ist das eine anspruchsvolle und schwierige Zeit. Wir haben viel verändert in unserer Mannschaft. Und wir sehen jetzt, wir sind noch nicht soweit, wie wir uns das vorgestellt haben. Jeder glaubt immer, in der zweiten Liga ist das ein Selbstläufer und man holt automatisch die Punkte. Nein, das ist nicht so. Das haben wir die letzten Wochen gesehen.“

Der Coburger Chefcoach sprach Romas Kirveliavicius ein Lob aus. „Wir haben lange auf ihn gewartet nach seinem verletzungsbedingten Ausfall. Ich finde, er hat extrem viel für uns getan. Er ist noch nicht bei 100 Prozent, aber das war für uns sehr gut. Das wird uns auch in den nächsten Wochen helfen.“

Negative Sache am Rande: In der zweiten Halbzeit gab es eine Schlägerei im Block der mitgereisten Dessau-Roßlauer Anhänger. Polizei und Security sorgten schnell wieder für Ruhe und entfernten die Störenfriede aus der Arena.

Statistik

HSC 2000 Coburg: Foluszny/Krechel – Hagelin, Wucherpfennig, Spross, Kelm, Linhart, Weber (1), Lex (5), Kellner, Billek (7/4), Riehn (5/5), Neloski, Varvne (4), Kirveliavicius (4). 

Dessau-Roßlauer HV: Dohler/Ambrosius – Pavlicek (6/3), DonathVanco, Sohmann (5), Pfeiffer, Hanisch (4), Wasielewski (4), Schmidt, Honicke (2), Hanner, Zahradnicek (3), Scheithauer (2).

SR: Christian Hannes/David Hannes (Reichshof/Gummersbach).

Zuschauer: 1967.

Siebenmeter: 11/5.

Zeitstrafen: 3/8.

Spielfilm: 1:3 (5.), 6:6, (17.), 10:10 (25.), 10:13 (Halbzeit), 12:15 (37.), 16:16 (41.), 18:17 (44.), 21:19 (49.), 22:22 (55.), 24:24 (58.), 24:25 (59.), 25:25 (59.), 25:26 (60.), 26:26 (60.).

Bericht von Michael Hager (Neue Presse Coburg)
Bilder von Henning Rosenbusch (www.henning-rosenbusch.de)