Gorr: „Null komma null um Tabellenposition.“ Am Doppelspieltag kommt heute der ThSV Eisenach nach Coburg, am Sonntag geht es für die Gorr-Truppe an den Bodensee zur HSG Konstanz. Sorgt der HSC dort für die 100. Zweitliga-Heimniederlage der Gastgeber?
Doppelspieltag, der Vierte – mit gemischten Gefühlen gehen die Teams in den letzten Freitag/Sonntag-Spieltag dieser Zweitligasaison. Diese besondere Spielsituation wird wohl erst ab der Saison 2019/2020 mit der Reduzierung der Liga auf dann 18 Mannschaften und damit vier Spieltagen weniger der Vergangenheit angehören. Die Coburger treffen hierbei am heutigen Freitagabend in eigener Halle um 20 Uhr auf den thüringischen Rivalen ThSV Eisenach (Platz 18, 17:43 Punkte), am Sonntagabend bei der HSG Konstanz (16., 18:42) wird die Partie um 18 Uhr angepfiffen.
Beide Gegner stehen mit dem Rücken zur Wand. Denn aus den fünf Letztplatzierten werden die vier Absteiger gesucht, zum Rest des Feldes ist der Abstand mit mindestens fünf Punkten bereits sehr groß. „Besser als Platz sieben“, das war das ursprüngliche Saisonziel der Thüringer. Die bekamen oft das Lob, dass sie eigentlich nicht in den Tabellenkeller gehören, doch gerade eine unerklärliche Heimschwäche ist dafür verantwortlich. In der Punktspielpause vor zwei Wochen haben sich die Wartburgstädter in gemeinsamen Trainingseinheiten mit der Slowakei, in deren Trainerstab Eisenach Coach Andre Kühr ist, auf die „Wochen der Wahrheit“ vorbereitet, was vergangenes Wochenende mit dem erst zweiten Heimsieg schon Früchte getragen hat.
„Zwischen Eisenach und Konstanz gibt es einige Unterschiede“, so HSC-Trainer Jan Gorr, der sein Team auf unterschiedlich agierende Gegner vorbereiten muss. „Eisenach ist körperlich sehr robust.“ Gorr weiß um den groß gewachsenen Mittelblock mit Daniel Luther und Duje Miljak. „Das ist viel Körper der uns da im Weg steht.“ Doch im Hinspiel haben die Coburger gezeigt, dass sie, besinnen sie sich auf ihre spielerische Linie, daran vorbei kommen können. Es war der erste Sieg überhaupt in der Wartburgstadt, denn noch nie zuvor konnte in diesem fränkisch-thüringischen Derby die Gastmannschaft als Sieger die Halle verlassen. Das gilt jetzt also auch für den ThSV, die mit ihren Shootern im linken Rückraum mit Matthias Gerlich, der nach knapp zwei Jahren erstmals wieder in der Coburger Arena aufläuft und mit Alexander Saul im rechten Rückraum genau das ebenfalls ändern wollen. Vielleicht sind aber auch die Torhüter entscheidend. Eisenachs TW Stanislaw Gorobtschuk hat sich akribisch vorbereitet: „Ich habe in meinem PC einen ganzen Ordner über Wurfbilder. Das gehört zur 2. Bundesliga inzwischen dazu. Dafür opfere ich viel Freizeit.“
„Die taktische Herausforderung für den Sonntag ist, dass wir auf eine von der Spielanlage ganz andere Mannschaft treffen“, beurteilt Gorr den zweiten Gegner vom Wochenende. Konstanz war in seinen Augen viel eher in diesen unteren Tabellenregionen zu erwarten als Eisenach, „aber sie haben aus ihren Möglichkeiten sehr viel gemacht, stehen derzeit über dem Strich.“ Das führt Gorr auf deren disziplinierte, mannschaftsorientierte Spielweise zurück: „Das ist ein Gegner, der eine Abwehr lange beschäftigt.“ Zudem ist das Team nach einer schwachen Hinrunde, in der die HSG lange die „rote Laterne“ des Schlusslichtes in der Hand hielt, stabiler geworden, weist nach der EM-Pause mit 10:10 Zählern ein ausgeglichenes Punktekonto auf. Gorr verweist zudem darauf, dass in der „Schänzle-Hölle“, wie die Halle genannt wird, wenn es Niederlagen für Konstanz gab, diese oft nur knapp ausfielen.
Das liegt auch am Rückraumlinken Paul Kaletsch, dem Top-Torschützen der Konstanzer, 2013 aus Hüttenberg an den Bodensee gekommen. Ihn kennt Gorr noch aus seinen Hüttenberger Zeiten und erinnert sich gleich auch an den letzten Auftritt der Coburger in Konstanz. „Auf schneebedeckten Autobahnen ging es bis zum frühen Morgen zurück nach Coburg. Das nach einer durch ein abgestandenes Kempa-Tor mit 19:18 bitter gegen uns entschiedenen Partie. Daran erinnert man sich, auch wenn man über die Jahre hinweg so viele Szenen im Kopf hat.“ Doch es war am 25.01.2014 die letzte Niederlage der Coburger und in einer Aufholjagd schafften sie im Mai dann doch noch den zweiten Zweitligaaufstieg, der so irgendwie eng mit den Konstanzern verbunden ist. Bitter soll es für Coburg am Sonntagabend diesmal allerdings nicht werden, vielmehr wollen Riehn, Kelm, Krechel, Barsties (die waren damals schon dabei) und Co. der HSG Konstanz in deren 281. Zweitligaheimspiel die 100. Niederlage beibringen. Doch so hoch wie am 17.03.2007 wird die nicht ausfallen. Das 25:38 ist bis heute die höchste Heimniederlage mit den meisten Gegentoren, die Konstanz je in zweiter, dritter oder Regionalliga kassiert hat.
Auch wenn es in den kommenden vier Spielen gegen die Nummern 16 bis 19 der Liga geht, warnt Gorr davor 8:0 Punkte zu erwarten. „Das sollte uns diese Saison gelehrt haben und in diesen Duellen spielen die Gesetze des Abstiegskampfes eine ganz große Rolle. Da kommen Teams mit dem Rücken zur Wand, die um ihre Existenz kämpfen. Da geht es Null Komma Null um die Tabellenposition, das werden krasse Fights.“ Gewinnt der HSC beide kommenden Spiele und patzt der VfL Lübeck-Schwartau, was in den Duellen gegen die HSG Nordhorn-Lingen und beim Wilhelmshavener HV nicht auszuschließen ist, könnte sich Coburg nach diesem Doppelspieltag auf den, dieses Jahr für den Aufstieg erstmals seit Einführung der eingleisigen zweiten Liga im Jahr 2011, bedeutungslosen dritten Platz vorschieben.
Die Akteure
HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek, Oliver Krechel; Philipp Barsties, Markus Hagelin, Lukas Wucherpfennig, Felix Sproß, Dominic Kelm, Sebastian Weber, Stefan Lex, Benedikt Kellner, Florian Billek, Till Riehn, Jakob Knauer, Tobias Varvne, Romas Kirveliavicius. Trainer: Jan Gorr.
ThSV Eisenach: Stanislaw Gorobtschuk, Jan Steffen Redwitz; Hannes Iffert, Benjamin Trautvetter, Adrian Wöhler, Ibai Meoki-Etxebeste, Daniel Luther, Matthias Gerlich, Duje Miljak, Marcel Schliedermann, Jonas Richardt, Noah Streckhardt, Marcel Popa, Marcel Niemeyer, Willy Weyhrauch, Alexander Saul. Trainer: Andre Kühr.
SR: Ronny Dedens / Nico Geckert
HSG Konstanz: Konstantin Poltrum, Maximilian Wolf; Fabian Schlaich, Mathias Riedel, Tom Wolf, Michael Oehler, Paul Kaletsch, Felix Krüger, Fabian Maier-Hasselmann, Felix Gässler, Tim Jud, Samuel Wendel, Chris Berchtenbreiter, Maximilian Schwarz, Felix Klingler, Samuel Loffler. Trainer: Daniel Eblen.
SR: Christian vom Dorff / Fabian vom Dorff
Die Lage in der Liga
Hätte der HSC 2000 den derzeitigen Tabellenzweiten SG BBM Bietigheim nicht zwei Mal besiegt, wäre der Aufstiegskampf schon entschieden. Aber auch so scheinen die Bietigheimer durch, können mit Siegen gestern Abend (Spiel bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) gegen den HSC-Sonntagsgegner HSG Konstanz und am kommenden Dienstag mit einem Sieg bei den DJK Rimpar Wölfen wohl die letzten Zweifel am zweiten Aufstieg nach 2014 beseitigen. Acht Punkte beträgt deren Vorsprung und ein Einbruch wie im letzten Jahr, als sie fünf der der letzten sechs Saisonspiele verloren, ist nicht zu befürchten. Ganz klar machen kann am Doppelspieltag Spitzenreiter Bergischer HC mit schonen einem Sieg in den Partien gegen den Wilhelmshavener HV oder beim TV Emsdetten die Rückkehr in die DKB-Handball-Bundesliga.
Am anderen Ende der Tabelle bleibt es dabei – vier aus fünf. Fast schon aussichtlos ist dabei die Lage des Schlusslichtes HG Saarlouis, die ihre Spiele gegen die Aufsteiger (beim HC Elbflorenz und gegen den HC Rhein Vikings) gewinnen müssen. Ähnliches gilt für den Vorletzten und HSC-Gegner am nächsten Wochenende, Eintracht Hildesheim. Beim Dessau-Roßlauer HV und gegen den VfL Eintracht Hagen braucht es Zählbares, während sich die Gegner mit Siegen endgültig völlig in Sicherheit bringen können. Auch der EHV Aue will mit Erfolgen dafür sorgen, das sich die Zahl der Ost-Teams in der Liga nicht von vier aus halbiert. Bei den Vikings kein einfaches Unterfangen und am Sonntag kommt mit HBW Balingen ein von der Saison enttäuschter Erstligaabsteiger.
Notizen am Rande
Vergangenheit – Platz zehn in der Saison 2001/2002 in der ersten Liga war bislang das beste Saisonresultat der Eisenacher in der Vereinsgeschichte. Noch nie haben sie unterhalb der 2. Liga gespielt. Im Jahr 1954 gingen sie, damals noch als BSG Motor Eisenach, an den Start, waren sowohl im Feld- als später auch im Hallenhandball stets zweit- oder erstklassig, wurden 1958 sogar Feldhandballmeister der DDR. Aber diesmal war schon der Saisonstart der schlechteste seit 1971 und es droht mit dem Absturz in die Drittklassigkeit der „Super-Gau“.
Gegenwart – Ab 17 Uhr präsentieren sich Blaulicht-Institutionen aus der Region mit mehreren Einsatzfahrzeugen, diversen Mitmachaktionen und Infoständen vor Ort. Bis 18.30 Uhr bietet der HSC alle Getränke vergünstigt an. HSC-Geschäftsführer Steffen Ramer möchte mit dem Blaulicht-Heimspiel vor allem für die Region etwas Gutes tun: „Viele Blaulichtinstitutionen haben große Probleme Nachwuchs und neue ehrenamtliche Helfer zu finden. Die Hilfskräfte der Region leisten mühevolle Arbeit und die komplette Region ist auf diese immens wichtige Arbeit angewiesen.“
Zukunft I – Die Saison 2018/19 ist ein „Übergangsjahr“, in der sogar fünf der 20 Mannschaften absteigen, während lediglich drei Teams aus den dritten Ligen aufsteigen können. So hat die 2. Handball-Bundesliga ab der Saison 2019/20 eine Regelstärke von 18 Mannschaften. Ab diesem Zeitpunkt wird es nur noch zwei direkte Absteiger in die dritten Ligen sowie zwei Aufsteiger aus den dritten Ligen geben. Der dritte Aufstiegsplatz von Liga drei in Liga 2 wird in einer Relegation zwischen dem Tabellen-16 der 2. Bundesliga und einem Drittligisten (Hin- und Rückspiel) ermittelt.
Zukunft II – In Eisenach wird eine Sporthalle für den Schul- und Vereinssport gebaut, die den Standards der 1. Bundesliga entspricht. Das Ganze in einem Industriedenkmal, was sich als besondere Herausforderung darstellt. Das Notwendige ist auf den Weg gebracht, aber vor 2021 dürfte wohl nichts fertig sein. Eine Delegation aus der Wartburgstadt reist sogar zum Anschauungsunterricht nach Coburg. Gastspiele des ThSV Eisenach wie in deren Erstligasaison 2015/2016 in der HUK-COBURG arena braucht es dann nicht mehr.
Bericht von Ralph Bilek
Bilder von Henning Rosenbusch (www.henning-rosenbusch.de)