TV Großwallstadt
Die Geschichte des Handballsports in Großwallstadt reicht bis in das Jahr 1925 zurück und ist reich an Erfolgen. Als dieser Sport noch vorrangig auf dem Großfeld ausgetragen wurde, schaffte es der TVG insgesamt sechsmal in das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und holte sich 1973 auch den Titel. Mit dem Umzug in die Halle stiegen die Unterfranken 1969 in die damals noch zweigeteilte 1. Bundesliga auf und gehörten im Jahre 1977 dann auch zu den Gründungsmitgliedern der nunmehr eingleisigen 1. Liga. Seine erfolgreichste Zeit hatte der TV Großwallstadt in den siebziger und achtziger Jahren. Siebenmal Deutscher Meister, viermal Deutscher Pokalsieger und fünf internationale Titel lautet die mehr als eindrucksvolle Bilanz. Der letzte Titelgewinn datiert allerdings schon aus dem Jahre 2000, als sich die Unterfranken in zwei hart umkämpften Partien gegen den spanischen Vertreter BM Valladolid den (damals letztmalig ausgetragenen) Euro–City–Cup sicherten. In den Folgejahren geriet der traditionell fest in der Region verwurzelte Verein durch die rasant zunehmende Kommerzialisierung des Sports allerdings immer mehr an seine wirtschaftlichen Grenzen. Letztmalig für positive Schlagzeilen konnten die Unterfranken in der Saison 2010/11 sorgen, als man immerhin das Finale im EHF – Pokal erreichte, dort aber FRISCH AUF! Göppingen unterlag. Nur zwei Jahre später geschah dann das eigentlich Unvorstellbare: Der TV Großwallstadt konnte nach 44 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur 1. Bundesliga den Abstieg nicht mehr verhindern – und das ausgerechnet im Jahr des 125jährigen Vereinsjubiläums. Aber es sollte sogar noch schlimmer kommen: Die Saison 2014/15 beendete man zwar auf einem ordentlichen 7. Platz; die Lizenz für die nächste Spielzeit wurde dem TVG allerdings verweigert. Doch die Unterfranken nutzten dies zu einem (auch konzeptionellen) Neuanfang in Liga 3 – mit Erfolg: Nach den Plätzen 8 und 4 war der TVG in der vergangenen Saison die dominierende Mannschaft in der 3. Liga Ost und sicherte sich am Ende mit 11 Punkten Vorsprung souverän den Staffelsieg und damit die Rückkehr auf die Bundesliga – Bühne.
Tief in der Region verwurzelt
Nicht nur für den Weltmeister von 1978 und TVG – Legende Manfred Hofmann ist dieser Aufstieg von großer Bedeutung: „Ein Traditionsverein wie der TV Großwallstadt hat im Handball – Niemandsland nichts zu suchen und kann in den Niederungen nicht existieren.“ Auch der neue Trainer Florian Bauer hat dieses Credo bereits verinnerlicht: „Wir wollen unbedingt in der Liga bleiben und die bestmögliche Platzierung erreichen. Wir werden in jedem Spiel die Wallstädter Tugenden raushauen.“ Dazu gehört zuallererst die tiefe Verwurzelung von Verein und Mannschaft in der Region. Vor allem will man zukünftig alte Fehler vermeiden und endlich die Früchte einer langen, engagierten und auch erfolgreichen Jugendarbeit selbst ernten, wie Manfred Hofmann bestätigt: „Die damalige Führung hat die Leistungsfähigkeit unseres Nachwuchses unterschätzt und das Risiko gescheut, ihm zu vertrauen. Es ist ärgerlich, dass wir dadurch viele gute Spieler verloren haben.“ Wie konsequent man diese Prämissen nunmehr umsetzen möchte, zeigt der Blick auf den aktuellen TVG – Kader. Dort finden sich lediglich noch drei Akteure ohne regionalen Background. Einer davon ist der lettische Nationalkeeper Arturs Kugis, der in dieser Saison zusammen mit Neuzugang Jan – Steffen Redwitz das Gespann zwischen den Pfosten bildet. Letzterer kam zwar vor der Saison von Zweitliga – Absteiger ThSV Eisenach. Seine ersten Gehversuche auf dem Handballparkett machte der gebürtige Offenbacher jedoch beim TV Hösbach vor den Toren Aschaffenburgs. Leistungsträger, Muster – Profi, Torjäger vom Dienst – das sind nur einige Attribute für Michael Spatz. Der in Südhessen aufgewachsene Linkshänder kam 2007 vom VfL Gummersbach nach Großwallstadt und spielt – abgesehen von einer einjährigen Unterbrechung beim TVB Stuttgart – seither für die Unterfranken. Zudem kann der 36jährige auch auf 12 Einsätze im deutschen Nationaltrikot verweisen. Im Rückraum verfügt der TVG mit Mario Stark, den Zwillingsbrüdern Tom und Lars Spieß, Linkshänder Jan Winkler sowie dem von der HG Saarlouis gekommenen Marcel Engels mindestens über eine Hand voll variabel einsetzbarer Aufbauspieler. Die Einsatzzeiten auf der Linksaußen – Position teilen sich Kapitän Florian Eisenträger, der nach seinem Handbruch einige Monate ausgefallen war, sowie Andre Göpfert. Mit dem sowohl defensiv wie offensiv längst zu einer festen Größe gewordenen Dino Corak ist der TVG auch am Kreis absolut Zweitliga – tauglich besetzt. Im Oktober hatte der Aufsteiger auch noch den slowakischen Nationalspieler Tomas Urban verpflichtet. Der 29jährige Linkshänder spielte zuletzt für den ThSV Eisenach und den Erstligisten FRISCH AUF! Göppingen.
Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag
Angesichts der souveränen Drittliga –Saison und des nur wenig veränderten, eingespielten Kaders war vor der neuen Spielzeit eine Aufbruchsstimmung rund um den Verein unübersehbar. Doch die bekam schon recht schnell ihre ersten Dämpfer, denn es dauerte bis zum 6. Spieltag, ehe man den ersten Saisonsieg bejubeln durfte. Und so fand man sich schon recht früh mitten in der Abstiegszone wieder. „Wir haben ein paar Punkte zu viel liegen gelassen. Zähler, die wir jetzt schon ein bisschen vermissen. Abgeklärtheit fehlt leider oftmals noch. Aber: Leidenschaft und Einsatz bei meinen Jungs sind immer dabei“, fasst Trainer Florian Bauer den bisherigen Saisonverlauf seines Teams zusammen. Und zumindest in der heimischen Untermainhalle ist der TVG jederzeit zu beachten. Immerhin 16 der bislang insgesamt 21 Punkte holte man zu Hause.
Bericht von Gerd Nußpickel