Die ersten dreißig Minuten boten Handball zum Genießen. „Klammer das Ding zu“ – Dominic Kelm spielte nach der Pause mit blauem Stirnband. „Kiwi“ trifft mit dem 1.000 Saisontreffer zum Endstand.
Es dauerte bis zum letzten Heimspiel, ehe der HSC 2000 Coburg die beste Halbzeit der Saison ablieferte. Fast alles lief wie am Schnürchen und der TV Emsdetten war mehr oder weniger Spielball der entfesselt agierenden Coburger. Mit zehn Toren Vorsprung gingen die in die Pause. Danach lief es allerdings nicht mehr ganz so rund, trotzdem durften die 1.821 Fans einen hochverdienten 28:22-Erfolg bejubeln, ehe der Abschiedsmarathon begann. Marko Neloski, Patryk Foluszny, Benedikt Kellner, Stefan Lex, Tom Wetzel, Girts Lilienfelds, Romas Kirveliavicius, Till Riehn, Oliver Krechel und Dominic Kelm zogen danach mit der gesamten Mannschaft an den Fans vorbei durch die Halle und beendeten damit die Heimspielzeit 2017/2018.
Mit einer Rumpfmannschaft, neben den Langzeitverletzten fehlten auch Stefan Lex und Lukas Wucherpfennig im letzten Heimspiel der Saison, musste Coburg in die Partie. Bisher standen die zwischen den beiden Teams immer auf handballerisch und technisch hohem Niveau, bei dem das Zuschauen viel Spaß machte. Auch diesmal kamen die Fans nicht zu kurz, was vor allem an „ihrer“ Mannschaft lag. Im ersten Angriff brauchte Coburg vier Anläufe ehe Jakob Knauer mit einer geschickten Körpertäuschung den Ball im Tor unterbrachte. Zuvor wurde der Ball von Emsdetten drei Mal abgewehrt. Nach seinem Treffer zum 2:1 für Coburg musste Dominic Kelm im Anschluss an eine Abwehraktion mit einem Cut über dem rechten Auge und blutender Stirn vom Feld, wurde in die Kabine geführt. „Letztes Jahr im letzten Spiel der Bänderriss und heute nach acht Minuten die Platzwunde. Als sie dann in der Kabine gemeint haben, dass muss genäht werden, habe ich gesagt, klammer das Ding zu, ich will weiterspielen.“ Der dienstälteste HSC-Spieler gab nach der Partie auch Einblick in sein Gefühlsleben: „Ich fühle mich traurig, so alt bin ich ja noch nicht, hätte durchaus gerne weitergespielt. Aber es ist wie es ist, ich freue mich auf die neue Aufgabe beim HSC, aber jetzt brauche ich erst einmal Urlaub.“ Er bekam durch seine Verletzung gar nicht mit, wie sich sein Team mit starken spielerischen Aktionen auf vier Tore absetzte. Darunter ein Empty-Net-Goal von Florian Billek, da Emsdetten während einer Zeitstrafe den Torhüter vom Feld genommen hatte.
Wenig später wuchs der Vorsprung nach einer Aktion von „Kiwi“ zum frei am Kreis stehenden Weber auf fünf Treffer an. Die Unparteiischen schufen anschließend mit drei Zeitstrafen innerhalb von dreißig Sekunden viel Platz auf dem Spielfeld. Coburg blieb aber vorne, auch weil der wendige Krings immer wieder in Krechel seinen Meister fand und hatte dann einen Lauf. Mit tollen Aktionen, sehenswerten Treffern und vielen durchdachten Aktionen setzen sie die im Abschluss insgesamt unglücklichen Gäste unter Druck, spielten sich in einen Rausch. Angriff um Angriff rollte auf des Gegners Tor zu, auf elf Treffer setzte sich Coburg ab. Emsdetten konnte sein schnelles Spiel nach vorne nie aufziehen. Deren Trainer Daniel Kubes wusste an der Außenlinie gar nicht, was seiner Mannschaft da geschah, wanderte hinter den Auswechselspielern hin und her. Nach 22 Minuten kam Kelm aufs Spielfeld zurück, vergab ein tolles Rückhandanspiel von Till Riehn und trotzdem ging es mit zehn Toren Vorsprung in die Pause. Mit blauem Stirnband als Verband über seinem Cut kehrte der HSC-Kreisläufer danach aufs Spielfeld zurück während sich TW Oliver Krechel mit zwei freien Paraden vor und von dem Fanblock gleich wieder feiern ließ.
Allerdings ließen seine Vorderleute jetzt doch eine Handvoll klarste Einwurfmöglichkeiten liegen, agierten oft zu riskant im Spiel nach vorne, behaupteten dennoch zunächst ihre klare Führung. Aber Emsdetten war jetzt deutlich effektiver, suchte den schnellen Abschluss und hatte nach 12 Minuten der zweiten bereits genauso viele Tore erzielt wie in der gesamten ersten Halbzeit. Der „Flow“ bei Coburg war jetzt völlig dahin, es gelang im Gegensatz zum ersten Durchgang kaum noch etwas und der Vorsprung war inzwischen um die Hälfte geschrumpft. Aber da gab es noch Oliver Krechel im Tor und der dürfte nicht nur dem Emsdettener Rechtsaußen Marten Franke eine schlaflose Nacht beschert haben. Die waren nun trotzdem deutlich bissiger in der Deckung und Coburg hatte auch einige seltsame Entscheidungen hinzunehmen. Aber sie zogen noch einmal an und als beim 26:20 eine Quote von 50 Prozent parierter Bälle für Krechel zu Buche stand bogen sie endgültig auf die Siegerstraße ein. Dreieinhalb Minuten vor dem Abpfiff war es „Kiwi“, der den 1.000 Saisontreffer für den HSC markierte ehe Oliver Krechel sogar einen allerdings erfolglosen Ausflug in die gegnerische Hälfte wagte. Gerade vor der Pause hatte es den Anschein als wolle sich der HSC den Ballast der gesamten Saison von der Seele werfen.
Wer den Handballtag noch bei Wein ausklingen lassen wollte, hatte dazu am Samstagabend auch Gelegenheit. Bis 23 Uhr konnten die Fans nach einem insgesamt doch begeisternden Saisonheimfinale beim ersten Coburger Weinfest auf dem Markt weiterfeiern oder gleich in oder vor der Halle. Wem das nicht gereicht hat, auf dem Markt gibt es sogar noch heute Abend Gelegenheit dazu …
Nicht zum Feiern zumute war den Fans des ThSV Eisenach. Trotz deren Erfolges in Hamm steht der erstmalige Abstieg in die dritte Liga nach 64 Jahren fest, da auch Aue und Wilhelmshaven ihre Spiele gewannen. Coburgs Spielführer Till Riehn, der auch einige Zeit das Trikot der Wartburgstädter trug dazu: „Es ist immer schade wenn solche Traditionsvereine wie Eisenach absteigen. Ich habe durch meine aktive Zeit dort auch noch eine besondere Verbindung dazu. Es hat schon so viele getroffen. Man sieht in dieser zweiten Liga auch daran, wenn es vor der Saison überhaupt nicht danach aussieht, was in dem Fall negativ alles möglich ist. Ich hoffe dass sie dort die Kräfte bündeln, gestärkt wieder herauskommen. Ich wünschen ihnen alles erdenklich Gute, dass es bald wieder bergauf geht, denn Eisenach gehört einfach in die Bundesliga.“
Stimmen
HSC-Trainer Jan Gorr: „Wegen der vielen Abschiede und der damit verbundenen Emotionalität war es wichtig, dass wir uns mit einem Heimsieg von den Fans verabschieden. Wir haben vor der Pause fantastisch verteidigt, Olli war eine scharfe Waffe, auch als uns der Gegner auf die Pelle gerückt ist.“
TVE-Trainer Daniel Kubes: „Der Coburger Sieg war hochverdient, geht absolut in Ordnung. Im Prinzip war die Partie bereits zur Pause entschieden, weil wir gerade da im Angriff total ineffektiv agiert haben. Mit der Saisonbilanz bin ich nicht unbedingt zufrieden.“
HSC-Spielführer Till Riehn: „Das war ein schöner Abschluss vor eigenem Anhang, auch wenn wir nächste Woche noch ein Spiel haben. Aber hier zu Hause ist das etwas anderes, es hat mir in den fünf Jahren richtig Spaß gemacht.“
Statistik
HSC 2000 Coburg – TV Emsdetten 28:22 (17:7)
HSC 2000 Coburg: Tim Titze (n.e.), Patryk Foluszny (n.e.), Oliver Krechel (22 Gegentore, 21 Paraden); Markus Hagelin (1), Felix Sproß (4), Dominic Kelm (2), Sebastian Weber (1), Benedikt Kellner (2), Florian Billek (7/3), Till Riehn (3/1), Jakob Knauer (2), Tobias Varvne (4), Romas Kirveliavicius (2). Trainer: Jan Gorr.
TV Emsdetten: Mark Ferjan, Konstantin Madert (28 Gegentore, 15 Paraden); Merten Krings (6/1), Marten Franke (4), Yannik Terhaer (1), Jan Hübner, Malte Schröder, Paul Kolk (2), Yannik Dräger (3), Dirk Holzner (2), Sven Wesseling, Jasper Adams (4), Andre Kropp, Georg Pöhle. Trainer: Daniel Kubes.
SR: Nils Blümel / Lars Loppaschewski
Spielfilm: 1:1 (6.), 4:2 (9.), 5:2 (11.), 8:3 (13.), 12:5 (20.), 17:6 (26.), 17:7 – 18:8 (34.), 20:10 (38.), 20:12 (41.), 21:13 (43.), 21:16 (45.), 23:20 (51.), 26:20 (54.), 28:21 (58.), 28:22.
Zuschauer: 1.821 in der HUK-COBURG arena
Siebenmeter: 4/5 (Billek scheitert an Madert) – 1/4 (Holzner trifft die Latte, Holzner scheitert an Krechel, Wesseling wirft neben das Tor)
Strafminuten: 6 (Hagelin, Weber 4) – 8 (Kropp 4, Holzner, Dräger)
Beste Spieler: Krechel, Hagelin – Krings, Adams
Bericht von Ralph Bilek (Coburger Tageblatt)
Bilder von Henning Rosenbusch (www.henning-rosenbusch.de.)