Die Coburger hadern in der ersten Halbzeit mit ihrer Chancenverwertung, taktische Umstellungen bringen den HSC aber auf die Siegerstraße.
„Es war anstrengend.“ Die Analyse des Coburger Rechtsaußen Lukas Wucherpfennig nach dem 29:24-Heimsieg gegen den VfL Eintracht Hagen am Samstagabend fiel kurz, aber treffend aus. Denn zunächst sah es nicht danach aus, als könnten sich die Coburger die am Freitag an TUSEM Essen (35:34 beim TSV Bayer Dormagen) verlorene Tabellenführung der 2. Handball-Bundesliga zurückzuholen. Auch da es die dritte Partie innerhalb von acht Tagen war und Hagen zeigte, warum sie Nettelstedt und Hüttenberg geschlagen nach Hause geschickt hatten. „Wir wollten unangenehm sein“, sagte VfL-Trainer Niels Pfannenschmidt – das war sein Team über weite Strecken auch.
Aber Coburg warf einen Vorteil besonders in die Waagschale: „Es ist uns gelungen, die Breite im Kader, unser Kollektiv zu nutzen“, freute sich Jan Gorr ob der Tatsache, dass Felix Sproß und Florian Billek diesmal wenig Spielanteile bekamen und sich Wucherpfennig und Maximilian Jäger nahtlos ins Spiel einfügten. Auch den Mann im eigenen Tor lobte Gorr: „Jan Kulhanek muss ich heute aus der geschlossenen Mannschaftsleistung herausheben, er war in den ganz wichtigen Phasen ein starker Rückhalt.“ HSC 2000 Coburg – Eintracht Hagen 29:24 (13:12)
„Die Halle muss beben“, HSC-Hallensprecher Sebastian Straubel gab zu Beginn den Takt vor, doch auf das erste richtige Beben mussten er und mit ihm die 1826 HSC-Fans fast bis zum Seitenwechsel warten. Einen langsamen Takt legten die beiden Teams in den ersten zwei Angriffen an den Tag, denn diese dauerten über drei Minuten, ehe Christoph Neuhold mit einem sehenswerten Dreher von der Linksaußenposition die Führung der Gäste egalisierte.
Variantenreiche VfL-Deckung
Die Hagener versuchten immer wieder mit zwei Dreierreihen beim Zurücklaufen die schnellen Gegenzüge des HSC zu verhindern und spielten ihre Angriffe sehr geduldig aus, wenn sich nicht die Gelegenheit für einen schnellen Vorstoß gab. Coburg lief deswegen lange einem Rückstand hinterher. Das Angriffsspiel der Coburger war oft zu ungenau gegen die variantenreiche Eintracht-Abwehr, bei der öfters der Mittelmann auf 13, 14 Meter vorgezogen und damit der Coburger Spielaufbau gestört wurde. Dann muss es eben anders gehen – beim 5:5 nutzte Florian Billek genau diese Situation. Denn dadurch stand Markus Hagelin frei am Kreis und wurde vom HSC-Rechtsaußen im Rücken der Abwehr bedient.
Doch treffsicherer waren bis dahin die Hagener. Und brachte Kulhanek einmal die Hand an den Ball wie beim Stand von 6:7, als er einen freien Konter parierte, passierte im Gegenzug genau dasselbe. Zwei Mal in Folge fand Florian Billek frei stehend in Tobias Mahncke seinen Meister, Felix Sproß erging es von der anderen Außenposition wenig später genauso. Deswegen warteten die Coburger Fans auch nach 20 Minuten auf die erste Führung ihrer Mannschaft.
Nur eine Zeitstrafe verpassten die Unparteiischen Tilman Pröhl für eine extrem harte Attacke gegen Tobias Varvne, und nur Sekunden später gab es nach einem weiteren rüden Foul an Wucherpfennig überhaupt keine Strafe. Die Coburger Fanseele kochte zu diesem Zeitpunkt und auch Gorr war nach diesen Aktionen fast nicht zu halten.
Doch vielleicht war genau das die Initialzündung, die der HSC brauchte. Mit den unten auf der Platte wie oben auf der Tribüne frei gewordenen Emotionen ging Coburg mit einem 3:0-Lauf erstmals in Führung und nahm diese mit in die Pause. Wären nur die Hälfte der freien Chancen genutzt worden, wäre das Ergebnis etwas beruhigender gewesen.
Ball bleibt am Boden kleben
Das wurde schnell nachgeholt, denn scheinbar hatte es in der Pause klare Anweisungen gegeben, wie der immer wieder offensiv arbeitenden Abwehr des VfL am besten zu begegnen sei. Das Wichtigste – die Würfe der Coburger fanden jetzt auch den Weg ins Tor. Kurios dabei war die Szene vor dem 16:13, als der Hagener Daniel Mestrum den Ball tippen wollte und dieser am Boden kleben blieb. Auch die Wiederaufnahme klappte nicht, somit war es ein technischer Fehler und der Konter brachte Coburg mit drei Toren in Führung, VfL-Trainer Pfannenschmidt rief zur Auszeit. Danach übertrieb es Coburg ein wenig mit den Kreisanspielen, der Ball blieb immer wieder, und das im wahrsten Sinne des Wortes, kleben. Aber die Umstellung im Rückraum mit Anton Prakapenia, der mit einem guten Auge seine Würfe nicht scharf, aber punktgenau ins Netz setzte, für Neuhold, trug Früchte, da Hagens Abwehr darauf weniger eingestellt schien.
Nach diskussionswürdigen Zeitstrafen Mitte der zweiten Halbzeit gegen Marcel Timm, die Gorr die Gelbe Karte einbrachte, und Markus Hagelin, war Coburg lange in Unterzahl, konnte sich in dieser wichtigen Phase auf Torhüter Kulhanek verlassen, den die Fans mit Sprechchören feierten. Nicht zuletzt dank seiner Paraden überstand der HSC diese letzte kritische Phase und setzte sich wieder auf sechs Treffer ab. Hagen gab sich zwar noch nicht geschlagen, offenbarte jetzt eben in der Abwehr größere Lücken als noch vor der Pause. Der HSC bewahrte die Ruhe und brachte das Spiel sicher nach Hause.
Das nächste Heimspiel sollten sich die Coburger Handballfans bereits jetzt vormerken, denn am Samstag, 20. Oktober, kommt der derzeitige Verfolger Essen in die Vestestadt.
HSC 2000 Coburg – VfL Eintracht Hagen 29:24 (13:12)
HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek (23 Gegentore, 10 Paraden), Fabian Apfel (1 Gegentor, 1 Parade); Markus Hagelin (3), Maximilian Jaeger (3), Lukas Wucherpfennig (5/3), Felix Sproß (1), Anton Prakapenia (4), Florian Billek (1), Marcel Timm (1), Jakob Knauer (1), Pontus Zetterman (3), Tobias Varvne (3), Christoph Neuhold (4) Trainer: Jan Gorr
VfL Eintracht Hagen: Tobias Mahncke (22 Gegentore, 11 Paraden), Nils Dresrüsse (7 Gegentore, 1 Parade); Sören Kress (3/1), Dragan Tubic (2), Tilman Pröhl (3), Bartosz Konitz (2), Jan König, Tom Bergner, Dominik Waldhof, Jan-Lars Gaubatz (3), Andreas Bornemann (3), Daniel Mestrum (6/2), Tim Stefan (2), Damian Toromanovic Trainer: Niels Pfannenschmidt
SR: Markus Kauth / Andre Kolb
Spielfilm: 1:3 (5.), 3:3 (10.), 6:6 (14.), 6:8 (18.), 7:8 (20.), 9:10 (24.), 10:12 (26.), 12:12 (28.), 13:12 – 14:12 (31.), 16:13 (34.), 18:14 (37.), 21:16 (43.), 21:18 (46.), 23:18 (48.), 24:18 (50.), 25:20 (53.), 25:21 (55.), 26:22 (57.), 29:24.
Zuschauer: 1826
Siebenmeter: 2/3 (Billek scheitert an Mahncke) – 3/4 (Kress scheitert an Kulhanek)
Strafminuten: 6 (Knauer, Timm 4) – 10 (Stefan, Tubic, Pröhl, Konitz 4)
Beste Spieler: Hagelin, Prakapenia – Mahncke, Mestrum
Stimmen zum Spiel
Jan Gorr (Trainer des HSC 2000 Coburg): „Hagen hat auf einem guten Level agiert und uns immer wieder vor neue Aufgaben gestellt. Wir mussten mit einer Energieleistung im dritten Spiel innerhalb einer Woche extrem viel investieren und haben jetzt einen Riesenstart hingelegt. Mehr aber auch nicht.“ Niels Pfannenschmidt (Trainer des VfL Eintracht Hagen): „Meiner Mannschaft muss ich ein Riesenkompliment machen. Gerade vor der Pause hat sie es taktisch sehr gut gelöst. Aber die Phase vom 10:12 auf 13:12 war ein erster kleiner Knackpunkt und auch aus der Pause sind wir nicht gut rausgekommen. Wenn du in Coburg etwas mitnehmen willst, darf das nicht passieren.“ Michael Häfner (Geschäftsführer des HSC 2000 Coburg): „Das war ein körperlich sehr robuster, wahnsinnig spielstarker Gegner. Wir haben uns lange schwer getan, haben dann Zugriff in der Abwehr bekommen. Besonders freut mich, dass sich heute die ganze Breite unseres Kaders gezeigt hat.“
Sebastian Weber (verletzter HSC-Kreisläufer): „Bärenstark dass wir diese schwere Partie nach der kräftezehrenden, englischen Woche mit fünf Toren gewinnen. Hagen hat seine Angriffe sehr geordnet vorgetragen, hatte eine klare Spielidee. Mit zunehmenden Spieldauer haben wir es dann besser gelöst.“
Marcel Timm (HSC-Kreisläufer): „Das ganze Spiel war von Teamgeist und Emotionen gezeichnet, aber wir haben Stärke bewiesen, gerade nachdem wir uns bis zur Pause recht schwer getan haben. Zwar waren unsere Beine schwer nach dieser englischen Woche, doch es ist jetzt total befreiend mit dem Optimum da rauszugehen.“
Bericht von Ralph Bilek (Coburger Tageblatt)
Bild von Henning Rosenbusch (www.henning-rosenbusch.de)