Rekordmeister trifft Aufsteiger, Spitzenmannschaft trifft Schlusslicht: Der HSC 2000 Coburg muss am Samstag zum THW Kiel und ist beim amtierenden Meister klarer Außenseiter. Sein Vorteil: Er hat nichts zu verlieren.
Nicht immer hält der Inhalt das, was er verspricht. Das gilt auch für die Spielstätte des Handball-Bundesligisten THW Kiel. Die trägt seit diesem Sommer den Namen eines Online-Casinos. Wunder passieren in der „Wunderino-Arena“ aber selten. Auf eine gelb-schwarze Sensation hofft der HSC 2000 Coburg dennoch, wenn der Aufsteiger am Samstag (20.30 Uhr) in Kiel gastiert.
Dass sich der Rekordmeister von Außenseitern wie der HSG Wetzlar in heimischer Halle deklassieren lässt, ist die Ausnahme. Im Dezember 2019 war das aber der Fall. Die Mittelhessen düpierten den Branchenprimus mit 27:20. Seitdem stolperten die Kieler, wenn überhaupt, in fremden Hallen. So wie vor wenigen Wochen – wieder gegen Wetzlar. Diesmal fegte die Mannschaft von Kai Wandschneider mit 31:22 über den THW.
Ob dem HSC das auch gelingt? Fraglich. Die Coburger wissen um ihre Rolle als krasser Außenseiter. Schließlich ist der HSC punktlos und muss nach wie vor auf wichtige Spieler verzichten. „Die Situation ist ähnlich wie zuletzt in Wetzlar“, sagt Trainer Alois Mraz. Jakob Knauer, Drasko Nenadic, Dino Mustafic und Max Preller fallen definitiv aus und hinter dem Einsatz von Kapitän Andreas Schröder steht ein Fragezeichen. Dafür ist Jan Kulhanek wieder vollkommen genesen. In Wetzlar war der Torwart-Routinier zwar im Kader, kam aber, weil angeschlagen, nicht zum Einsatz. Dennoch wird Mraz drei Torhüter in den hohen Norden mitnehmen und neben Konstantin Poltrum auch Fabian Apfel ins Aufgebot nominieren.
Das Angebot an einsatzfähigen Feldspielern ist allerdings weiterhin überschaubar. Abgeschenkt wird aber nichts. „Wir wissen, dass es eine große Herausforderung für uns wird. Der THW Kiel ist die beste Mannschaft der Welt. Trotzdem wollen wir unsere Chance nutzen.“ Und das soll in erster Linie über die Abwehr funktionieren. „Kiel hat auf jeder Position eine enorme Qualität. Aber wir müssen vor allem den Rückraum und den Kreis in den Griff bekommen“, fordert Mraz. Einfach wird das nicht. Schließlich tummeln sich auf diesen Positionen zahlreiche Spieler, die mindestens das Prädikat „internationale Klasse“ verdienen.
HSC schon einmal nahe dran
Mit dem Norweger Sander Sagosen hat der THW seit dieser Saison auch noch den wohl besten Handballer der Welt in seinen Reihen. Dass die Coburger ein Star-Ensemble an den Rand einer Niederlage führen können, zeigte der HSC bei seinem ersten Bundesliga-Abenteuer in der Saison 2016/2017. Damals führte Coburg in Kiel kurz vor Schluss mit 26:25 – und verlor mit 26:28. Ob sich Mraz bei Geschäftsführer Jan Gorr, damals noch HSC-Trainer, Tipps geholt hat? Er schmunzelt: „Ich habe das natürlich mitbekommen, dass es damals sehr knapp war. Aber das ist ein paar Jahre her und nicht zu vergleichen.“ Der HSC-Trainer hat sich seinen eigenen Schlachtplan überlegt, dem aktuellen Tabellenzweiten ein Bein zu stellen.
Über die erste und zweite Welle möchten die Coburger über Tempo zu einfachen Toren kommen. Und im Positionsspiel soll der Ball lange in den Reihen gehalten werden. Auch die in Wetzlar ausprobierte Variante, mit zwei Kreisläufern in den Schnellangriff zu gehen, könnte in Kiel wieder aufgegriffen werden. „In den ersten 15 Minuten haben wir in Wetzlar drei gute Aktionen damit gehabt“, sagt Mraz. Der Mittelblock, den wahrscheinlich wieder Justin Kurch und Stepan Zeman bilden werden, wird also wieder in Abwehr und Angriff gefordert sein.
Abwehr muss sich steigern
Und: er muss sich steigern. Gerade in der zweiten Hälfte legten sich die Wetzlarer Cavor und Lindskog die HSC-Abwehr nach Belieben zurecht. „Die Lücken waren zu groß und die Abstimmung hat nicht mehr gepasst. Aber es ist mit der Personallage auch schwer, es über 60 Minuten durchzuziehen“, sagt Mraz.
Das sei auch die Vorgabe für das Spiel an der Ostsee: über die ganze Spielzeit eine stabile Leistung abrufen. Und: die Körpersprache muss eine andere sein. Zuletzt brach beim HSC mit schwindenden Kräften auch die Gegenwehr, sich gegen die Niederlage zu stemmen – die unnötig deutliche 22:31-Niederlage in Wetzlar war die Folge. Trotzdem muss gegen den THW, der am Donnerstagabend noch in der Champions-League gegen den FC Barcelona antreten muss, alles passen. Dann gelingt vielleicht das, was dem HSC im Mai 2017 nur ganz knapp nicht gelang: ein gelb-schwarzes Wunder.
Bericht von inFranken
Bild von Svenja Stache