Handball-Bundesliga – Der HSC 2000 Coburg läuft bis zur „Crunch-Time“ bei der HSG Konstanz Rückständen hinterher, spielt es dann aber kühl und abgeklärt herunter.

Durch die Niederlage von TuSEM Essen am Freitagabend hätte der HSC 2000 Coburg mit einem Neun-Tore-Erfolg bei der HSG Konstanz am Tag danach die Tabellenführung übernehmen können. Doch davon waren die Coburger meilenweit entfernt, zeigten gerade vor der Pause einmal mehr ihr „Auswärtsgesicht“. Obwohl spielerisch lange nicht viel gelang, ließen sie sich nicht abschütteln und drehten in den zehn Schlussminuten die Partie zum 28:25-Sieg.

Während HSC-Coach Jan Gorr aus dem Vollen schöpfen konnte, hatten die Gastgeber zwei schmerzhafte Ausfälle zu verzeichnen. Vorne fehlte der schweizerische Spielmacher Tim Jud, zudem im Innenblock der erkrankte Kreisläufer Fabian Wiederstein. Der wurde aber bestens vertreten durch Michael Stotz, der gleich die ersten drei Treffer für sein Team erzielte. Überhaupt bekam Coburg den Gegner in der Abwehr nicht in den Griff – die ersten sieben Würfe der Gastgeber landeten im HSC-Tor. Das konnten sie im Angriff nicht kompensieren, weil gegen die flexible, hart zupackende Deckung der HSG oft die Lücken fehlten, zu viel über die Mitte lief.

Als die einen Strafwurf neben das Tor setzten konnte Coburg den zwischenzeitlich auf drei Tore angewachsenen Rückstand reduzieren. Zum Ausgleich reichte es erst einmal nicht. Doch nun schlichen sich auf Konstanzer Seite die ersten Fehler ins Aufbauspiel, Coburg konterte und beim 8:8 war der Ausgleich geschafft. Doch Sicherheit brachte das nicht, wenig später betrug der Rückstand erneut drei Tore. Dies auch, weil die Wurfquote der Coburger aus dem Rückraum weiter sehr schwach blieb, der Angriff bis auf wenige Aktionen recht einfallslos agierte, sich zu viele Fehlpässe erlaubte. Das erzürnte Jan Gorr, der sich Felix Sproß beim Vier-Tore-Rückstand zur Brust nahmen. Im Gegenzug dazu band der Gegner alle Spieler ins das Angriffsspiel ein, war einfach präsenter, auch wenn da Schulter oder Kopf stürmerfoulverdächtig eingesetzt wurden.

Am erfolgreichsten blieb der HSC, wenn es schnell nach vorne gehen konnte. Dazu eröffneten sich kurz vor dem Seitenwechsel einige Optionen. Die wurden genutzt, sogar der erneute Ausgleich war möglich. Sie konnten aber froh sein, dass bei Konstanz die Wurfquote absackte. Denn immer wenn es zum gebundenen Spielaufbau kam, konnte fast auf einen HSC-Fehler gewartet werden. Gewartet hatte Jan Gorr nach dem Pausenpfiff auch auf SR Heinz, während sich Florian Billek in einem Zwiegespräch mit ihrer Kollegin befand.

Direkt nach Wiederanpfiff verteilten die Konstanzer mit Ballverlusten Geschenke an den HSC, der beim 14:15 erstmals überhaupt in der Partie in Führung ging. Es gab sogar die Option auf eine Drei-Tore-Führung, doch Coburg agierte jetzt zu hastig. Es ging wild hin und her, beide Teams übertrafen sich mit hergeschenkten Bällen. Doch aus dieser Phase gingen die Gastgeber als Sieger hervor, weil für den HSC auch noch Pech mit Abprallern dazu kam. Poltrum parierte, Konstanz traf mit dem Abpraller, Zetterman traf den Pfosten, die Konstanzer kontern – 19:17. Genau das baute die Gastgeber zum für den HSC falschen Zeitpunkt auf. Die „Crunch-Time“ begann.

Und in der bissen die Coburger zu. Auch wenn lange noch nicht alles optimal lief, legten sie beim 21:22 wieder vor, nutzten eine doppelte Überzahl. Trotzdem wurde der Wunsch von HSG-Trainer Daniel Eblen langsam Realität. Er hatte vor der Partie geäußert, „sollte sich die Chance auf eine spannende Schlussphase für uns bieten, wollen wir sie auch wahrnehmen.“ Das tat seine Mannschaft dann auch. Aber nun war das Glück auf Coburger Seite. Erst landete ein Wurf frei von der Mittelposition neben dem HSC-Gehäuse, das nun von Kulhanek gehütet wurde. Im Gegenzug setzte Billek einen Strafwurf an die Latte, traf im Nachwurf und im Gegenzug versiebten die Konstanzer die nächste hundertprozentige Chance.

Daraus schlug Coburg eiskalt Kapital. Mit durchdachtem Spiel setzten sie sich auf drei Tore ab. Doch die Gastgeber gaben sich noch nicht geschlagen, suchten den schnellen Abschluss. Die Uhr tickte nun Uhr für die Coburger, die das Ergebnis im Stile einer Spitzenmannschaft verwalteten. „Zählbares gegen Coburg zu sammeln wird schwierig, das ist klar“, sagte HSG-Coach Daniel Eblen noch vor dem Spiel. Doch weit war sein Team nicht davon entfernt. Ein paar Fehler weniger und Coburg hätte nicht nur gewackelt, sondern wäre gefallen. Denn am Ende waren sie in ihren Aktionen glücklicher, was sich über die Spielzeit gesehen jedoch wieder ausglich.

Für HSC-Torwart Konstantin Poltrum, der mit Sonderapplaus begrüßt wurde, war es die erstmalige Rückkehr aufs Spielfeld der Schänzle-Halle, wo er drei Jahre im Tor stand. Denn im vergangenen, seinem ersten Jahr in Coburg, spielte die HSG in der dritten Liga. Aber als Zuschauer war er seitdem öfters in der Halle, da seine Freundin noch in Konstanz wohnt. Diesmal durfte er über eine Dreiviertelstunde auf die Platte, aber es dauerte, bis er den ersten Ball zu fassen bekam. Neben Billek, der einmal mehr überzeugte, ragte Stepan Zeman mit einer 100prozentigen Wurfquote bei sechs Versuchen heraus.

 

 

Stimmen

HSC-Trainer Jan Gorr: „Es war ein sehr emotionales Spiel mit einem ansprechendem, äußerem Rahmen. Ich bin froh, dass wir als Sieger von der Platte gehen. Konstanz hat alles investiert, unheimlich kämpferisch agiert und uns alles abverlangt. In der Schlussphase ist es uns gelungen effektiver zu sein, sowohl in Abwehr als auch im Angriff. Unzufrieden bin ich damit, dass es Konstanz geschafft hat, die Dinge, die wir eigentlich nicht zulassen wollten, zu zeigen. Das spricht für die HSG. Wir müssen das unbedingt lernen, diese angesprochenen Dinge auf dem Spielfeld zu unterbinden.“

HSG-Trainer Daniel Eblen: „Bis wenige Minuten vor dem Abpfiff sah es gut aus, aber wir haben es nicht geschafft, auch den letzten Schritt zu machen. Über weite Strecken haben wir die nötige Aggressivität ins Spiel gebracht. Mich ärgert der Einstand in die zweite Halbzeit, wo wir es Coburg zu einfach gemacht haben, erstmals in Führung zu gehen. Was mein Team heute gezeigt, gerade die Spieler, die für die Ausfälle auf die Platte mussten, war voll überzeugend.“

HSC-Linksaußen Maximilian Jaeger: „Wie schon in den letzten Wochen haben wir uns auch heute auswärts nicht so gut präsentiert. Besonders was Einstellung, Kampfgeist und Mentalität angeht, hatten wir uns vorgenommen, nicht zu früh aufzugeben. In der ersten Halbzeit standen wir in der Abwehr nicht gut, haben einige Zweikämpfe verloren. Zum Glück gehen wir nur mit einem Tor Rückstand in die Pause. Danach haben wir die paar Prozent mehr, die wir von uns selbst gefordert haben, ins Spiel gebracht. Wir spielen eine bessere Abwehr, sind konzentrierter im Angriff und haben es dann nach Hause gefahren.“

 

 

Statistik

HSG Konstanz – HSC 2000 Coburg                                                                                         25:28 (14:13).

HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek (3 Gegentore, 3 Paraden), Konstantin Poltrum (22 Gegentore, 6 Paraden); Maximilian Jaeger (1), Lukas Wucherpfennig (1/1), Felix Sproß (3), Sebastian Weber, Florian Billek (8/2), Marcel Timm, Pontus Zetterman (4), Girts Lilienfelds, Tobias Varvne (1), Stepan Zeman (6), Andreas Schröder (4), Christoph Neuhold. Trainer: Jan Gorr.

HSG Konstanz: Maximilian Wolf (27 Gegentore, 9 Paraden), Simon Tölke (1 Gegentor, 0 Paraden), Michael Hassferter; Michael Stotz (5), Fabian Schlaich (2), Aron Czako, Matthias Hild (1), Tom Wolf (5), Paul Kaletsch (7/2), Felix Krüger, Fabian Maier-Hasselmann, Fynn Beckmann (2), Tim Keupp, Samuel Wendel (3). Trainer: Daniel Eblen.

SR: Katharina Heinz / Sonja Lenhardt

Spielfilm: 1:1 (2.), 3:3 (5.), 5:3 (7.), 6:3 (8.), 6:4 (9.), 7:4 (10.), 7:5 (11.), 7:6 (13.), 8:7 (16.), 8:8 (18.), 10:8 (21.), 12:9 (24.), 13:9 (25.), 13:12 (27.), 14:13 – 14:16 (35.), 16:17 (36.), 17:17 (39.), 19:17 (41.), 20:18 (43.), 20:20 (44.), 21:20 (46.), 21:21 (48.), 21:22 (49.), 22:24 (55.), 22:25 (56.), 23:26 (57.), 25:28.

Zuschauer: 1.400

Siebenmeter: 2/3 (Maier-Hasselmann wirft neben das Tor) – 2/3 (Billek trifft die Latte)

Strafminuten: 6 (Krüger 4, Wolf,T.) – 6 (Zeman, Varvne 4)

Beste Spieler: Stotz, Kaletsch – Zeman, Billek

 

Bericht: Ralph Bilek

Bild: Iris Bilek