Der HSC 2000 Coburg dürstet nach einem Erfolgserlebnis. Doch gegen den Champions-Leaguesieger von 2002 muss für Punkte schon alles passen.

Nach der weitesten Reise am vergangenen Sonntag wartet auf den HSC 2000 Coburg aufgrund der Corona-Infektionszahlen nun das erste „Geisterspiel“ in der HUK-COBURG arena. Was zahlreichen Teams der Liga bereits widerfahren ist, wird nun auch für die Coburger Realität. Die Partie gegen den SC Magdeburg wird ohne Zuschauer ausgetragen (werden müssen).

„Das schmerzt uns natürlich sehr, auch wenn ich dafür natürlich Verständnis habe Es geht eben nicht anders. Damit müssen wir auch mental klarkommen, dass uns die Unterstützung von außen fehlt. Ich habe selbst noch nie ein Geisterspiel um Punkte erlebt“, hat HSC Coach Alois Mráz die besondere Situation im Blick.

Ein besonderes Auge wird der HSC auf die Neuzugänge der Magdeburger werfen müssen, den isländischen Linkshänder Omar Magnusson, der im Rückraum agiert und den Norweger Magnus Gullerud, der vom Liga-Rivalen Minden an die Elbe kam. Mit ihm verfügt der HSC-Gegner über einen Kreisspieler, der in Angriff und Abwehr einsetzbar ist und der nicht nur beim SCM sondern auch im Nationalteam seines Landes den Abwehr-Innenblock mit Christian O’Sullivan bildet.

Doch die Stuttgarter haben vergangene Woche gezeigt, wie dieser Abwehrriegel zu knacken ist. Insgesamt verfügen die Magdeburger jedoch über ein absolut homogenes und eingespieltes Team, das Spielabläufe eigentlich im Schlaf beherrscht. Zu oft herrscht beim SCM derzeit Ladehemmung vor dem gegnerischen Tor. So hat Damgaard zwar 34 Mal getroffen und ist damit hinter Rambo (GWD Minden) zweitbester Feldtorschütze. In der Partie bei den Eulen Ludwigshafen und gegen Stuttgart netzte er sogar je neun Mal ein, führt die interne Torjägerliste an, ist aber bereits 27 Mal gescheitert, wie auch seine Kollegen bislang einfach zu oft. Eine Chance für Coburg? „Damgaard wirft einfach aus jeder Position, in vielen Varianten“, begründet Mráz diese Quote.

„Wir müssen einfach viel präziser werden, dann haben wir auch gegen starke Gegner bessere Karten“, weiß er um die Mängel seiner Mannschaft. Ihm ist die nur schwer zu überwindende Abwehr der Magdeburger durchaus bewusst. Genauso wie der schnelle Übergang über die Außenspieler Musche und Hornke wenn der SCM erst einmal in Ballbesitz ist. Deswegen der Wunsch und das Trainingshauptaugenmerk auf das präzisere Angriffsspiel seiner Mannschaft. „Wir brauchen unser Spiel ohne zu viele Fehler“, ist sich Mráz dann einer Siegoption bewusst.

Dazu sollte, auch wenn das in Flensburg des Öfteren erfolgreich, aber irgendwann zu durchsichtig war, aus dem Rückraum „gefackelt“ werden. Da haben die Coburger noch enormes Steigerungspotenzial, was für erfolgreichere Spiele dringend nötig sein wird. Hinzu kommt ein darbendes Konterspiel, etwas, was sich der HSC besonders auf die Fahnen geschrieben hatte. Da muss jedoch mehr kommen.

Nur so haben Andreas Schröder, Florian Billek und Co. überhaupt eine Erfolgschance, nicht nur im ersten Geisterspiel der HSC-Geschichte. Doch leider wird das aufgrund der Entwicklung wohl nicht das letzte bleiben, auch wenn die Liga kommende Woche wegen der EM-Qualifikationsspiele mit Spielen gegen Bosnien-Herzegowina am 5. November und in Estland am 8. November pausiert Für den HSC geht es am 12.11. bei der HSG Wetzlar weiter, am 15.11. kommt GWD Minden – zwei richtungsweisende Spiele. Wenn all diese Partien denn überhaupt stattfinden…

 

Florian Billek Mitte Mai 2020 im Interview zu „Geisterspielen“:

Sind für Dich „Geisterspiele“ vorstellbar?

„In unserer Sportart führen die nicht dazu, dass Vereine überleben können. Hinzu kommt, dass wir keinen Zähler vor eigenem Publikum abgegeben haben. Das war einer der Hauptgründe, warum wir vor dem Abbruch fünf Punkte Vorsprung hatten. Zwischen ‚vorstellen‘ und ‚mögen‘ liegt ein kleiner Unterschied. Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass es so kommen kann. Ich werde nie ein Freund davon sein, eine Dauerlösung ist es erst recht nicht. Gerade für uns ist das ein unheimlicher Push-Faktor. Für die Teams, die nicht über die individuelle Stärke verfügen, wären Geisterspiele noch einmal ein Nachteil gegenüber den Großen. Und wenn man den Erstligaaufstieg erreicht, dann freut man sich auch darauf in Magdeburg, Flensburg, Kiel vor einem vollen Haus zu spielen. Das macht es aus.“

 

Die Akteure

HSC 2000 Coburg: Kulhanek, Poltrum; Preller, Nezhad, Sproß, Nenadic, Billek, Zetterman, Varvne, Schikora, Kurch, Zeman, Schröder. Trainer: Alois Mráz. (verletzt: Knauer, Mustafic, Neuhold)

SC Magdeburg: Thulin, Green; Musa, Chrapkowski, Musche, Steinert, Kristjansson, Pettersson, Magnusson, Hornke, Gullerud, Mertens, O’Sullivan, Bezjak, Damgaard, Preuss,. Trainer: Bennet Wiegert.

Schiedsrichter: Fabian Baumgart / Sascha Wild

 

Die Lage in der Liga

An der Tabellenspitze haben die „großen Drei“ (Rhein-Neckar Löwen, SG Flensburg-Handewitt, THW Kiel) mit je 8:2 Punkten wieder das Zepter übernommen. Dahinter folgt ein Fünferfeld mit je 7:3 Punkten, was für die bislang wöchentlichen Überraschungen spricht. Daraus trafen gestern Abend Magdeburg-Bezwinger TVB Stuttgart und der SC DHfK Leipzig aufeinander, die beide dort nicht unbedingt zu erwarten waren. Das gilt auch für den Bergischen HC, der am Samstagabend die Flensburger erwartet.

Am Tabellenende ist neben den Coburgern nur noch HBW Balingen-Weilsteten ohne zählbaren Erfolg. Ähnlich wie in Coburg sind die Aussichten, dass sich das an diesem sechsten Spieltag ändert, äußerst gering. Denn deren Reise geht zu den Rhein-Neckar Löwen. Boden gutmachen will zumindest der HC Erlangen. Auf Platz 14 soll mit einem Erfolg bei Aufsteiger TuSEM Essen (16.Platz) Distanz zur hintersten Tabellenregion geschaffen werden.

Randnotizen

Negativrekord – Viele Spiele hatte der HSC in seiner bislang einzigen Erstligasaison 2016/2017 nicht gewonnen. Sechs Begegnungen waren es am Saisonende, 26 Mal mussten sie als Verlierer die Halle verlassen. Eine Partie stach dabei heraus. Am 17. Dezember 2016 kassierten die Coburger ihre bis dato höchste Erstliganiederlage. In eigener Halle unterlagen sie mit 27:42. Der Gegner: SC Magdeburg.

Fehlstart – Im Vergleich zu den beiden Vorsaisons haben die Magdeburger einen Fehlstart hinter sich. Vor allem wenn das aus der Situation betrachtet wird, dass gegen Stuttgart und den Bergischen HC zwei Heimspiele verloren gingen. Letztes Jahr standen sie an den ersten vier Spieltagen an der Tabellenspitze der Liga, wurden bis zum 9. Spieltag jedoch auf Platz acht „durchgereicht“. Bei Saisonabbruch belegten sie Rang Drei. 2018/19 starteten sie sogar mit 12:0 Punkten in die Spielzeit.

Maskenspiel – In der ersten spanischen Liga kam es vorvergangene Woche zum ersten Handballspiel mit Mund-Nasen-Schutz. Aufgrund zu hoher Corona-Zahlen hatte die Regionalregierung von Kastilien-Leon angeordnet, dass in der Partie zwischen CB Ademar Leon und BM Sinfin (31:23) Masken zu tragen seien. Inzwischen ist der Spielbetrieb in der Liga fast zum Erliegen gekommen.

Verlegung – Eigentlich hätte Magdeburg am vergangenen Dienstag sein 2. Gruppenspiel der EUROPEAN LEAGUE gegen Montpellier HB spielen sollen. Doch dieses wurde von der EHF (Europäische Handball Federation) auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund hierfür ist eine Vielzahl von Infektionen im Team der Franzosen, die eine Anreise unmöglich gemacht hat.

Bericht von Ralph Bilek

Bild von Svenja Stache